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Pressemitteilung

Rechtliche und fachliche Hinweise bei der Ausschreibung von Photovoltaik-Anlagen

Fachinformation von ÖDP-Kreisvorsitzenden Peter-Michael Schmalz

Rechtliche und fachliche Hinweise bei der Ausschreibung von Photovoltaik-Anlagen (Kurzfassung)

Sachstand Juli 2012


1. Rechtlicher Bereich

Zunächst ist zu unterscheiden, ob PV-Anlagen von der öffentlichen Hand (Gemeinden, Städte, Landkreise, Land, Bund) oder von privater Seite errichtet werden sollen.


1.1. Öffentliche Hand

Werden PV-Anlagen von der öffentlichen Hand oder von juristischen Personen mit überwiegender öffentlicher Dominierung errichtet, dann sind die einschlägigen Vergabevorschriften für öffentliche Aufträge zu beachten.

Dabei ist zu unterscheiden, ob eine PV-Anlage auf einem bestehenden Gebäude rein zur Stromgewinnung errichtet wird, oder ob extra ein Gebäude errichtet wird, welches zum Tragen der PV-Anlage gedacht ist. Im ersten Fall ist die Sektorenverordnung (SektVO) einschlägig, im zweiten Fall andere Vorschriften, insbesondere die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB).

Je nachdem welche Vergabevorschrift einschlägig ist, können sich Vorgaben für die Auftragsvergabe ergeben (z.B. im Fall der SektVO bei einem PV-Anlagenwert von über € 400.000 die Pflicht zur EU-weiten Auftragsausschreibung).

Allen öffentlichen Aufträgen immanent ist das Diskriminierungsverbot. Dieses insbesondere zur Vermeidung von Ungerechtigkeiten oder Korruption geschaffene sinnvolle Verbot, hat jedoch auch eine problematische ethische Seite. Wenn z.B. eine Kommune einen Auftrag für Granitpflaster ausschreibt und verhindern will, dass Granitsteine gekauft werden, die durch (in Europa) verbotene Kinderarbeit in Übersee bearbeitet wurden, dann wird die Sachlage bei der Ausschreibung sehr diffizil. Gleiches gilt, wenn man keine PV-Module aus China (dem Weltmarktführer für PV-Module) wegen der in meinen Presseinfos vom 27.06.2012 und 29.06.2012 auf dieser Homepage beschriebenen Probleme beziehen will.

Das Diskriminierungsverbot gilt analog auch für die Gestattung der Nutzung von Dächern für PV-Anlagen auf öffentlichen Liegenschaften.

Aber: Bei rein öffentlichen Projekten oder solchen mit überwiegender öffentlicher Beteiligung können in Ausschreibungen bestimmte Produkt- und Qualitätsmerkmale festgesetzt werden. Dies kann als Nebeneffekt mittelbar dazu führen, dass doch, wie eigentlich gewünscht, problematische Produkte beim Ausschreibungsverfahren nicht akzeptiert werden müssen. Werden bestimmte deutsche oder europäische Standards gefordert, dann muss der Zusatz "oder gleichwertig" angebracht werden um die Inhalte auf nichtdeutsche bzw. außereuropäische Werber übertragen zu können. Auf jeden Fall ist zu empfehlen einen versierten Fachmann für die Ausschreibung von öffentlichen PV-Anlagen zu beauftragen.

Besonders interessant: In Italien werden nach Mitteilung von deutscher Herstellerseite entweder ganz oder zumindest zum größten Teil nur in Europa produzierte Module verbaut, weil Italien nur PV-Module verwendet haben möchte, bei deren Produktion die Einhaltung von Sozial-/Arbeitsschutzbedingungen wie in Europa sicher gestellt ist. Zu diesem Zweck wird in Italien eine besondere einschlägige  Zertifizierung gefordert. Die Bedingungen dieser Zertifizierung können nach italienischer Ansicht die in China produzierten PV-Module nicht oder nur teilweise erfüllen können. Hinweis: Was in Italien europarechtlich zulässig ist, müsste eigentlich auch in Deutschland europarechtlich zulässig sein.

Noch ein Hinweis: Handelt es sich um kleinere PV-Anlagen (unter € 200.000 bzw. 400.000 Auftragswert), dann gelten vereinfachte Bestimmungen.


1.2. Private Betreiber oder öffentliche Beteiligung unter 50% Anteil

Werden Anlagen durch private Träger errichtet, dann sind diese vollkommen frei von öffentlichen Vergabevorschriften und nur an die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen wie zum Beispiel Bebauungspläne usw. gebunden.

Gleiches gilt auch für Rechtsformen, in denen die öffentliche Hand eine Bestimmungsgewalt von unter 50% hat. Diese überwiegend privat dominierte Rechtsform kann dann die Einhaltung von hohen Umwelt- und Sozialstandards (wie im Musterantrag beschrieben) durchsetzen. Von Gemeinden gewünschte hohe Umwelt- und Sozialstandards können somit bei diesen Rechtsformen eingehalten werden.


2. Fachlicher Bereich

2.1. Produktherkunft (Regionalitätsprinzip, Wertschöpfungsanteile)

In unserer heutigen, von hoher Arbeitsteilung gekennzeichneten Wirtschaftswelt, ist es mitunter schwierig und sogar ausgeschlossen, ein Produkt z.B. als tatsächlich und umfänglich "Made in Germany", "Made in USA" oder "Made in China" zu identifizieren (z.B. Haushaltsgeräte, Computer usw.), weil Bauteile aus aller Herren Länder Verwendung finden und für die Herkunftsbezeichnung "Made" i.d.R. nur der Ort der Endmontage ausschlaggebend ist.

Hier muss man dann ersatzweise auf die Methode der selbst nachforschenden "überwiegenden" Produktzuordnung zu einem bestimmten Herstellungsort und den damit verbundenen Herstellungs-,  Transport-,  Umwelt- und wirtschaftlichen Bedingungen (wie z.B. extreme marktverzerrende staatliche Subventionen) zurückgreifen ("Produktsphäre").

Bei dem Produktbereich PV-Anlagen ist nach den jeweiligen Teilkomponenten wie Module, Kabel, Trägersysteme und Wechselrichter zu unterscheiden. Bei Kabeln, Trägersystemen und Wechselrichtern ist eine vollständige oder fast vollständige Produktsphärenzuordnung relativ einfach möglich und eine gezielte Auswahl entsprechend den gewünschten Standards umsetzbar.

Gesondert betrachten möchte ich den Bereich der Module, also den Hauptkostenfaktor von PV-Anlagen. Die Module bestehen, vereinfacht dargestellt, aus der EVA (Kunststoff)-Trägerplatte, den darauf angebrachten Solarzellen, den Stromleiterbahnen, dem Deckglas, dem Rahmen und dem rückwärtigen Anschlusskästchen. Rein vom Gewicht her betrachtet, liegt der Anteil der hauchdünnen Solarzellen (Wafer) bei unter einem Prozent am Gesamtmodul.

Vor dem Hintergrund der Milliarden schweren Subventionen des chinesischen Staates bei der Herstellung von PV-Modulen und Solarzellen incl. der dortigen extrem niedrigen Arbeitskosten einerseits und der drastischen und übereilten Kürzungen bei der deutschen Einspeisevergütung für Solar-Strom andererseits, sowie dem vollständigen Herausnehmen von bestimmten PV-Großanlagentypen aus dem gesetzlich garantieren Abnahmepreissystem, haben sich deutsche PV-Modul-Hersteller im Überlebenskampf auf dem PV-Markt neu ausrichten müssen.

Ein Großteil der noch verbliebenen deutschen Hersteller von PV-Modulen hat mittlerweile verschiedene Produktlinien im Programm. Folgende Haupt- Varianten gibt es mittlerweile:

- komplett in China durch Tochterunternehmen oder joint-ventures produzierte PV-Modulen,

- in Deutschland zusammengebaute Module mit chinesischen Solarzellen und den restlichen Bauteilen aus deutscher/europäischer Produktion

- vollständige deutsche bzw. europäische, jedoch teurere Komplettmodule.

Das oben gesagte gilt für monokristalline bzw. polykristalline Solarzellen. Im Bereich der Dünnschichtsolarzellen hat Europa nach Herstellerangaben "bessere" Marktchancen, weshalb hier in größerem Ausmaß rein deutsche/europäische Produkte zum Verkauf angeboten werden.

Je nachdem, wie hoch der Anteil an deutschen, europäischen oder chinesischen Modulteilen im kompletten PV-Modul ist, dementsprechend verteilt sich auch der Wertschöpfungsanteil auf die Produktionsstätten, er kann jeweils zwischen 0 und 100% liegen. Aus diesem Grund sollte man immer vom Hersteller verbindliche Auskünfte zum Herstellungsprozess von PV-Modulen einholen.

Hinweis zur Wertschöpfung: Zum allergrößten Teil refinanzieren sich die in Deutschland installierten PV-Module über die Stromerlöse nach dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), also über die Stromkostenzahlungen aller inländischen Stromkunden. Es ist daher nicht verwerflich, wenn man darauf achtet, dass ein möglichst großer Teil der Wertschöpfung bei der Herstellung von PV-Modulen auch im inländischen Wirtschaftskreislauf verbleibt, ganz abgesehen von all den anderen Umwelt- und Sozialargumenten und dem klimaschützenden Regionalitätsprinzip.


2.2. Transport

Wie in den Presseinfos vom 27.06.2012 und 29.06.2012 geschildert, soll durch das Regionalitätsprinzip "Aus der Region für die Region" (welches nur zur Anwendung kommt, wenn tatsächlich benötigte Produkte überhaupt vor Ort bzw. in der gleichen Qualität vor Ort erhältlich sind) unnötige Energieverschwendung vermieden und damit das Klima geschützt werden.

Wie unter 2.1. dargelegt, gibt es auf dem PV-Modulmarkt Produkte mit unterschiedlichem Anteil an aus Übersee importierten Bestandteilen. Ein Anhalt für eine möglichst hohe Umweltfreundlichkeit hinsichtlich des Energieaufwandes beim Transport der Module zum Endverbraucher ist neben Weglänge und Art des Transportmittels das Gewicht des transportierten Gutes. Dabei gilt die Faustformel, je mehr Gewicht transportiert wird, umso mehr Energie wird benötigt.



3. Fazit

PV-Module werden mit dem Hauptziel produziert, durch umweltfreundliche Energiegewinnung einen entscheidenden Beitrag zum Schutz des Welt-Klimas zu leisten. Wer auch an die PV-Modulherstellung und ihren Transport zum Endverbraucher hohe Klima- und Umweltschutzanforderungen stellt und auch die sozial/ethische Seite sowie den freien Markt stark verzerrende staatliche Subventionen bei seiner Kaufentscheidung berücksichtigen will, der muss sich intensiv mit der komplexen Materie beschäftigen. Selbst wenn nicht jeder (schon allein deshalb, weil derzeit nicht für alle Kaufinteressenten das Angebot ausreichen würde) die 100%ig für die Umwelt, das Weltklima und ethische Werte beste Variante bei PV-Modulen wählt, so sollte man doch versuchen diesem Idealwert möglich nahe zu kommen. Ein wertorientiertes Marktverhalten von Vielen, bei bewusstem Verzicht darauf, den letzten Cent aus PV-Anlagen herauszuholen, ist in der Lage, den Markt zum Positiven zu beeinflussen.

Ein zentrales Element beim Klimaschutz ist, dass, wenn gleichwertige oder sogar bessere Produkte auch vor Ort produziert und verkauft werden, man dann nach dem Prinzip der kurzen Wege auf diese Produkte zurückgreifen sollte. So wie das für den Verzicht auf per Flugzeug aus Südafrika eingeflogene Weintrauben in den Wintermonaten gilt, so sollte das auch für den unnötigen Transport von PV-Modulen um die ganze Welt gelten. Es ist die ausufernde extreme (oft vermeidbare und staatlich hoch subventionierte) Mobilität, sei es für Güter oder Menschen, welche die Menschheit immer näher an den Abgrund ihrer Existenz bringt.


Meine Abhandlung soll keine Aufforderung zum grundsätzlichen Protektionismus darstellen, sondern eine kleine (und bei Weitem nicht vollständige) Hilfestellung für eine umweltschonende und nachhaltige Verhaltensweise im Bereich PV-Anlagen sein.



Peter-Michael Schmalz
ÖDP-Sprecher im Kreistag Kelheim
ÖDP-Bezirksvorsitzender Niederbayern
Referent und Ausschussvorsitzender des Marktes Langquaid
für die Bereiche Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz

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